Vom Regen in die Traufe?

Zum ersten Mal seit 1946 ist es der CDU gelungen, in Mörfelden-Walldorf einen hauptamtlichen Stadtrat zu installieren: Karsten Gross wurde von der neuen Grüne-CDU-Koalition mit 23 von 45 Stimmen in der Stadtverordnetenversammlung zum Ersten Stadtrat gewählt.

Die Grünen, die aus der Kommunalwahl mit 14 Sitzen als stärkste Partei hervorgingen, hatten die Wahl zwischen zwei möglichen Koalitionspartnern, die gleich stark mit jeweils 9 Sitzen in der Stadtverordnetenversammlung vertreten sind: SPD und CDU. Es gab die Chance, die Koalition mit der SPD (2006 – 2016) neu aufzulegen – diesmal mit umgekehrtem Größenverhältnis. Viele der “Wechselwähler”, die dieses Mal den Grünen ihre Stimme gaben, kommen aus dem Umfeld der SPD. Sie haben mit ihrer Stimme für die Grünen ein Warnsignal an die SPD ausgesandt. Mit diesem Signal war der Auftrag an die Grünen verbunden, die SPD auf den Weg der Vernunft zurück zu drängen – und nicht der Auftrag, die Schwarzen an die Macht zu bringen.

Personelle Konsequenzen bei der SPD? Ach was.

Teile der SPD haben dieses Signal auch gut verstanden: „Die SPD will laut ihrem Vorsitzenden Baldur Schmitt aufgrund ihres „historischen Tiefpunkts“ personelle Konsequenzen folgen lassen. Wer künftig nicht mit den Grünen regieren wolle, habe keinen Platz in der neuen Fraktion.“ konnte man in der Frankfurter Rundschau vom 17.3.2021 lesen. Aber das blieb ein frommer Wunsch. Die SPD trat mit demselben Personal zu Gesprächen an, das die historische Wahlniederlage durch ihr hartnäckiges Festhalten an der Politik der Koalition mit FW und FDP verschuldet hatte. Kein Wunder also, dass sich die Grünen lieber für die CDU entschieden.

Tabu gebrochen

Damit haben sie allerdings ein Tabu gebrochen, das in Mörfelden und Walldorf seit 1946 Bestand hatte. “Die Stadtfarbe ist Rot”. So hieß es in der alten Stadtsatzung von  Mörfelden. Das war durchaus auch politisch gemeint. Man wird sehen, ob es klug war, die Wende-Zeichen in der SPD zu ignorieren und sich stattdessen auf eine rechte Partei einzulassen. Denn das heißt, das gesamte politische Klima der Stadt in Frage zu stellen.

CDU als verlängerter Arm der Landesregierung

Was wird jetzt kommen? „Nooch Kees kimmt selten Butter“ sagt man in Mörfelden-Walldorf. Vom neuen Ersten Stadtrat ist kaum eine Politik zu erwarten, die auf die sozialen Forderungen der Bevölkerung eingeht und ihren Geldbeutel schont. Im Zweifelsfall hat er sich bisher immer darauf verlegt, die Politik der CDU-geführten Landesregierung am Ort zu verteidigen und durchzusetzen. Als Werbefachmann fielen ihm dazu auch immer die passenden Sprüche ein. Dazu gehörten die Zustimmung zu „Schutzschirm“ und „Hessenkasse, und die Verteidigung des 400-Millionen-Raubs der Landeregierung an den hessischen Gemeindefinanzen (2019). Auch die meisten Gebührenerhöhungen fanden die Zustimmung der CDU.

Unvergessen: Die CDU war Komplize bei der „Schlachtung des Urhahns“

Unvergessen ist auch die führende Rolle der CDU bei der Abwahl des grünen Stadtrates Urhahn. Der hatte zwar keine sehr geschickte Haushaltspolitik gemacht, gleichwohl aber wenigstens den Versuch unternommen, die Herkunft des städtischen Defizits aufzuzeigen. Das ist nämlich keineswegs „hausgemacht“, sondern wurzelt in der Politik der Landes- und Bundesregierung. Und immerhin hatte er sich bemüht, den einen oder anderen Angriff der Streicherkolonnen des Regierungspräsidiums auf die Geldbeutel der Einwohner abzumildern. Wie die Grünen es fertigbringen, mit dem Initiator der „Schlachtung des Urhahns“ heute gemeinsame Sache zu machen und ihn auf den Posten zu wählen, von dem er damals den Grünen verjagt hatte, ist schwer verständlich. „Die Zusammenarbeit mit Karsten Groß als Fraktionsvorsitzendem sei sehr gut gewesen, sagte Ioannis Karathanasis, der bester Dinge war, die sozial-ökologische Transformation anzupacken“, las man im „Freitagsanzeiger“.

Wenig Ahnung – aber davon viel

Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt, wenn der (in jeder Bedeutung des Wortes) grüne Politikstudent mit dem mit allen Wassern gewaschenen Erzkonservativen gemeinsam unsere Stadt „sozial-ökologisch transformiert“. Schließlich gab Karsten Gross in einem Interview zu, dass er von sozialen Fragen wenig Ahnung habe. Und ob Herr Karathanasis viel von Ökologie versteht, ist ebenfalls fraglich, wenn er mit einer Partei koaliert, die nach wie vor die Südumgehung fordert. Und dass man lieber ein riesiges ALDI-Kühllager mit einem Verkehrsaufwand von mehreren Hundert LKW pro Tag zulässt, anstatt die Fläche zur Ersatzaufforstung für die ungeheuren Waldverluste der letzten Jahre zu nutzen – auch darin sind sich der Grüne und der Schwarze einig. 

Das sind keine guten Voraussetzungen, die Hinterlassenschaften von Amtsvorgänger Burkhard Ziegler und seiner Koalition aufzuarbeiten, die größten „Klopse“ rückgängig zu machen, und eine wirklich ökologische und soziale Politik für die Einwohner unserer Stadt zu machen.

Wir fürchten, dass die Mörfelder- und  Walldorfer*innen mit dieser Koalition vom Regen in die Traufe geraten.