Man muß den Bürgermeister vom Kopf auf die Füße stellen

„Bürgermeister warnt vor Konsequenzen des Bürgerbegehrens“. So ist der Titel einer städtischen „Pressemeldung“, die von einigen Grünen herumgereicht wird, um das Bürgerbegehren gegen den Ausverkauf von städtischem Eigentum madig zu machen (Originaltext: siehe Link am Ende des Beitrages). Hier und da berichten Ladeninhaber auch, dass der Bürgermeister sie höchstpersönlich aufgesucht habe, um sie mit diesem Papier dazu zu bewegen, keine Unterschriftenlisten für das Bürgerbegehren auszulegen. In dem bemerkenswerten Text wird einiges an Unkenntnis bewiesen, es werden Dinge bestritten, die niemand behauptet hat, und Fakten werden auf den Kopf gestellt. Wir stellen sie wieder auf die Füße.

Bürgerbegehren, Bürgerentscheid – wer weiß das schon so genau…

Eingangs ist festzustellen, dass der Bürgermeister wohl die Hessische Gemeindeordnung nicht kennt. Er schreibt: „Mit einem Bürgerbegehren soll eine Parlamentsentscheidung aufgehoben werden, die erst am 28. September mit großer Mehrheit getroffen wurde“. Das ist falsch. Mit dem Bürgerbegehren soll ein Bürgerentscheid über diese Angelegenheit herbeigeführt werden. Ob die Bürger dann in geheimer Wahl so entscheiden, wie es die Initiatoren des Begehrens vorgeschlagen haben, wird sich erweisen. Aber wenn sich der Bürgermeister jetzt schon über den Ausgang eines solchen Bürgerentscheids Sorgen macht, dann spricht das dafür, dass er von der Richtigkeit seiner Politik wohl nicht sehr überzeugt ist.

Zum Rest der „Pressemeldung“ ist zu sagen, dass sie die Fakten auf den Kopf stellt.

Von wem kommt der Vorschlag für das „Tauschgeschäft“?

Die Möglichkeit, die „Innenstadt von Mörfelden attraktiver zu machen“, ist weder Anlass noch Motiv, weder Grund noch Auslöser für dieses Geschäft. Der eigentliche Beweggrund und die Triebfeder des „Tauschgeschäftes“ ist vielmehr der Wunsch der BG Ried, der Stadt das Grundstück Parkstraße 35-41 zu einem möglichst geringen Preis abzukaufen. Die Initiative zu dem Geschäft ging nicht von der Stadt, sondern von der BG Ried aus. Dieser Hauptteil des „Tauschgeschäftes“ wird erst im zweiten Teil der Pressemeldung erwähnt und irreführend als „Gegenzug“ bezeichnet.

Fakt ist, dass die BG Ried, die die Mietwohnungen auf diesem Grundstück besitzt, auch noch das Grundstück selbst in die Hand bekommen will. Die Gründe sind wahrscheinlich darin zu suchen, dass sich die BG Ried damit allen noch bestehenden Verpflichtungen gegenüber der Stadt entziehen möchte, die sich aus dem Erbbaurecht ergeben, und die sich schmälernd auf den Gewinn auswirken könnten. Außerdem würde sie ein Grundstück, das einen Marktwert von über € 1.000 pro qm hat, für weniger als die Hälfte erwerben. Niemand könnte verhindern, dass sie es postwendend mit hohem Gewinn weiterverkauft.

Was hat das alles mit dem „Feuerwehrgrundstück“ zu tun?

Der Bürgermeister hält die Feststellung für nötig, bei dem fraglichen Grundstück handele es sich „ausdrücklich nicht um das Gelände, auf dem derzeit das Feuerwehrgerätehaus und die Kita XII stehen“. Warum schreibt er das? Das hat niemand behauptet. Aber: Natürlich spielt dieses „Feuerwehrgrundstück“ als möglicher Ort für den Bau bezahlbarer städtischer Mietwohnungen eine Rolle, wenn Feuerwehr und Kita in ihr neues Zuhause umgezogen sind. Jedoch nur, wenn man das angrenzende Parkstraßen-Areal eben NICHT verkauft, sondern es zusammen mit diesem „Feuerwehrgrundstück“ als zusammenhängende Grundlage eines sozialen, in kommunaler Hand befindlichen Wohnungsprojektes nimmt.

Die Kleinmarkthalle am Dalles: Nur ein „Zuckerchen“ für die Stadt als Entscheidungshilfe

Das Angebot der BG Ried an die Stadt, ihr die schon etwas ältere und sanierungsbedürftige Kleinmarkthalle am Mörfelder Rathaus „günstig“ zu überlassen, ist nichts weiter als ein „Zuckerchen“, um die Stadt zum Verkauf des knapp 3.000 qm großen Grundstücks in der Parkstraße zu bewegen. Dass sich gleich mehrere grüne und schwarze Kommunalpolitiker über das „Zuckerchen“ freuen und ihren Fantasien freien Lauf lassen, was man dann am Dalles so alles umgestalten könne, steht auf einem anderen Blatt. Die Idee, die Kleinmarkthalle abzureißen und dort einen Wohnblock zu errichten, hat es in die Öffentlichkeit geschafft. Aber was soll damit gewonnen werden? Die Stadt hat noch immer keine eigene kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Also würde auch dieser Wohnblock wie bisher von einem kommerziellen Unternehmen gebaut werden. Die Stadt erhielte Belegungsrechte für vielleicht 6 Sozialwohnungen für ein oder zwei Jahrzehnte. Und was ist danach?

Hans im Glück: Reale Werte gegen papierene Belegungsrechte

Viel wird in der Pressemeldung von „Belegungsrechten“ gesprochen. Aber das Jonglieren mit „Belegungsrechten“ zur Begründung des Verkaufs eines der letzten großen Grundstücke, die die Stadt besitzt, ist extrem kurzsichtig. Grundbesitz ist ein nachhaltig wertvolles Gut, das derzeit auch noch extrem hohe Marktwerte erzielt. Belegungsrechte sind ein Rechtskonstrukt, das zeitlich begrenzt ist. Was sind 15 oder 25 Jahre, wenn es um Wohnungen, um das Heim, den Lebensmittelpunkt von Familien geht? Was ist, wenn die Belegungsrechte abgelaufen sind? Was will die Stadt dann noch verkaufen, um sie abermals zu verlängern? Sie wird nichts mehr haben, was sie noch verkaufen kann. Dieses „Tauschgeschäft“ ist von der Art, die im Grimm’schen Märchen vom „Hans im Glück“ beschrieben wird: Der tauscht einen Klumpen Gold zuerst gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, diese gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans. Am Schluss hat er nur noch zwei Steine, die er auch noch verliert.

Bodenbevorratung im Programm der Grünen? Ach was…

Dem Bürgermeister wäre anzuraten, sich auf das Wahlprogramm seiner grünen Partei zu besinnen, auf dessen Grundlage er gewählt wurde, und im dem gefordert wird: „Konsequente Bevorratung von städtischen Grundstücken für zukünftige Planungsvorhaben, z. B. die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum“. Es ist sicher nicht schwer zu verstehen, dass „Verkauf“ das Gegenteil von „Bevorratung“ ist.

Hier der Link zu der bemerkenswerten „Pressemeldung“

https://www.moerfelden-walldorf.de/de/aktuelles/presse/2021/november/buergermeister-warnt-vor-konsequenzen-des-buergerbegehrens/