Ärztemangel in Mörfelden-Walldorf – und was die Stadt (nicht) dagegen tut.

„Im Durchschnitt sind auch die Ärzte nur Durchschnitt.“

© Dr. rer. pol. Gerhard Kocher, Schweizer Politologe und Gesundheitsökonom

Wenn man einen Fuß in den Backofen steckt, und den anderen ins Tiefkühlfach, dann fühlt man sich im Durchschnitt ganz wohl.

Nach diesem Motto sorgt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen – in ihrem Geschäftsmodell der Mafia nicht unähnlich – für die Verteilung von Arztsitzen.

Wer nämlich geglaubt hat, im Lande der „freien Marktwirtschaft“ könne sich ein Kassenarzt niederlassen, wo er möchte, der liegt falsch. Es gibt ein Genehmigungsverfahren, nach dem genauestens reguliert wird, ob eine Stadt noch einen weiteren Arzt braucht, oder nicht. Das heimtückische daran: Es wird der Durchschnitt an Ärzten in einem „Mittelbereich“ zu Grunde gelegt, der mehrere Städte umfasst. Unsere Stadt z. B. ist mit Rüsselsheim und dem gesamten Norden des Kreises Groß-Gerau zu einem Mittelbereich zusammengefasst.  Was Fachärzte betrifft, gilt sogar das gesamte Kreisgebiet. Wenn in diesem Gebiet die Anzahl der niedergelassenen Ärzte und Fachärzte nach Ansicht der KVH ausreichend ist, kann sich kein weiterer Arzt oder Facharzt niederlassen

Wenn es in Rüsselsheim viele Fachärzte gibt, und in Mörfelden-Walldorf kaum welche, dann sind wir noch immer „überversorgt“

Wenn nun aber, sagen wir, 10 Arztsitze für unser Gebiet als ausreichend angesehen würden, und in Rüsselsheim sitzen schon 8? Dann reichen 2 für Mörfelden-Walldorf aus – und schon stimmt der Durchschnitt. Und was machen die zwei Ärzte? Sie schreiben E-Mails wie diese (Name des Arztes ist der Redaktion bekannt): „Sehr geehrter Herr…….., leider haben wir zu viele Patienten und somit aktuell ein Aufnahmestopp. Es tut mir leid…  Mit freundlichen Grüßen…“.  Dann darf man sich (als Einwohner eines sg. „Mittelzentrums“, worauf unsere Lokalmatadore so stolz sind) in einer anderen Stadt einen Arzt suchen. Der schreibt dann auch eine schöne Mail (auch der Name dieses Arztes ist der Redaktion bekannt): „Guten Tag, wir haben unsere nächsten freien Termine erst wieder im Oktober frei (vormittags). Möchten Sie einen Terminvorschlag erhalten? Mit freundlichen Grüßen“. Oder: „Unsere nächsten freien Termine haben wir derzeit in ca. 8 Wochen. Sollten Sie noch Interesse an einer Terminvereinbarung haben teilen Sie uns doch bitte Ihre Telefonnummer mit“. (Das schreibt ein Kardiologe bei einem Herzproblem). Das Ganze nennt sich dann „ärztliche Überversorgung“, und die derzeitige Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung hat kein Problem damit, einen Antrag der DKP/LL abzulehnen, in dem die Förderung der Ansiedlung von Ärzten und Fachärzten in Mörfelden und Walldorf gefordert wird.

Die Grünen kümmern sich? Ach was……

Nun, das nimmt nicht wunder:  Wird doch unsere Stadt von einer Koalition regiert, bei der nicht viele Mitglieder Erfahrungen als Kassenpatienten haben. Die Grünen von heute sind die Erben des wohlsituierten deutschen Bildungsbürgertums, stellte der Historiker Paul Nolte schon am 19.11.2012 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk fest. Zitat:  „Sie sind auch eine Partei der Besserverdienenden (…). Das ist ganz eindeutig so, wobei man sagen muss, dass die Grünen auf beeindruckende Weise den Spagat halten zwischen einer Partei der Besserverdienenden, der hohen gesicherten Einkommen, des gehobenen Lebensstils, der sich auch den Biosupermarkt und viele andere Attribute dieses Lebensstils gut leisten kann, und auch jüngeren Studenten, Leuten, die weniger Geld verdienen. Das ist doch faszinierend, wie die Grünen auch diesen Spagat im Moment noch zu halten vermögen.“ Wohl auch deswegen geht ihnen augenscheinlich die ärztliche Versorgung arbeitender Menschen sonstwo vorbei.

Hintergrundinformationen zu diesem Artikel finden sie hier:

Unser abgelehnter Antrag

Die ablehnende Stellungnahme der Stadtverwaltung zu dem Antrag

Unser Kommentar zu dieser Stellungnahme