Das grüne Dilemma

Sie reißen die Erde auf. Sie graben das Grab ihrer Kinder. Der Milliardär Albrecht pfeift, winkt mit Millionen, die Kommunalpolitiker knicksen artig und lassen die Bagger tanzen. Der Protest der Kommunisten hat nicht geholfen. Der Schnellbahn entlang der Autobahn wird viel Wald weichen. Zwischen Aldis Kühlhaus und dem Holiday-Inn, wo noch niemand je Ferien gemacht hat, hätte Wald entstehen können. Der wäre dringend nötig. Überall wird geholzt: Sehring winkt mit Scheinchen, wenn’s um Kies geht, kennen sie kein Klima und keinen Anstand. Wald ab! heißt die Parole. Wenn Fraport ein Handzeichen gibt, stehen die grüne Regierungspräsidentin, der grüne Wirtschaftsminister in Wiesbaden die grüne Koalition in Frankfurt und all die anderen Kopfnicker in den bürgerlichen Parteien stramm und holzen was das Zeug hält, für‘s Terminal III und dessen Zufahrten. Die örtlichen Grünen runzeln die Stirn, machen aber zuhause das Gleiche. Der Beschluss, die Haardt unter einem Aldi-Gebirge zu begraben, wurde zwar unter der vorigen Koalition der freien radikalen Klimakiller gefasst, aber die oppositionellen Grünen haben auch dafür gestimmt. Jetzt muß sich der grüne Bürgermeister um die Umsetzung des Frevels kümmern. Er setzt schon mal als Ausgleich drei Bäumchen auf die Parkstreifen, damit die Aldi-Festung nicht von überall so unangenehm aufträgt.

Nun mal im Ernst: Die Grünen waren ein vierzigjähriger Umweg – vierzig Jahre Hoffnung auf ökologische Vernunft. Damals, vor vierzig Jahren, schlugen die Wellen der Erkenntnis über diesen Staat hoch bei uns. Der Wille der Bürger war mit Tränengas, Knüppeln und Polizeistiefeln getreten worden. 400 Hektar Wald wurden abgeholzt, damit der mobile Klimakiller Nr. 1, der Flugverkehr, frei entfaltet werden konnte. Die Grünen wurden gegründet, in Mörfelden-Walldorf eine grüne Bürgerliste ins Parlament gewählt und die Kommunisten gewannen viele Stimmen hinzu. Ein früherer FDP-Stadtverordneter, der in den Siebzigerjahren in jeder Rede die „drei demokratischen Parteien in diesem Hause“ lobte, um die Kommunisten zu diffamieren, war nun von seinen „demokratischen Parteien“ nicht mehr so fest überzeugt und wurde Sprecher der Grünen Bürgerliste. Die folgenden vierzig Jahre waren eine nachhaltige Erfolgsgeschichte der grünen Partei. Die anderen Parteien waren gezwungen, sich einen grünen Anstrich zu verpassen, in den Regalen der Supermärkte wimmelt es von „Öko-“ und „Bio“-Produkten. Aber leider beschränkt sich der Erfolg auf die Berufspolitiker der Grünen, die Diäten und Pensionen abgreifen konnten, während der Raubbau an der Natur ungebremst weiter geht. Die Grünen sind dort angekommen, wo das Kapital sie haben wollte. Jene, die einst gestartet sind, die Welt zu verändern, ohne die reale Macht der Konzerne, Banken und Supermilliardäre anzutasten, sind jetzt, nach der CSU, die eifrigsten Verteidiger des Wachstumskapitalismus. Sie sind den Weg alles Parlamentarischen gegangen: korrumpiert durch Posten und mediale Aufmerksamkeit, haben sie gelernt, wessen Interessen man/frau in bürgerlichen Parlamenten gefälligst zu vertreten hat: die der Reichsten. Vierzig Jahre Hoffnung im Eimer, die Welt steht am Abgrund. Vierzig Jahre – so viel Zeit haben wir nicht noch einmal. Das auf Wachstum angewiesene kapitalistische System ist nicht zu reformieren.

Liebe Grüne, die Ihr nicht auf Karriere aus seid, sondern das Verhängnis auf Natur und Menschheit zukommen seht, laßt alle Hoffnung fahren, macht den Scheiß nicht mehr mit, geht auf die Straßen, noch können wir das Schlimmste verhindern! Wenn wir das Profitsystem nicht bald beseitigen, rennen wir ins Verderben. Dieser Appell geht auch an alle Anderen!

Zu unserem Beitragsbild:

Ruin der Natur Nr.? In der Haardt: Planierung für Aldi und Fraport. Die „Haardt“ – das war dort, wo noch heute freie Sicht von der B486 auf den Taunus ist. Dort gab es früher guten Spargel.